Heißblütige Güte verwurzelt uns in dieser kostbaren menschlichen Geburt

Vortrag über die sechs Daseinsbereiche, New York, 28. März 1994

Ngak’chang Rinpoche

Im Jahr 1993 sagte Seine Heiligkeit der Dala’i Lama, dass er nicht mehr länger an die Existenz der sechs Daseinsbereiche als tatsächliche Orte glaube. Vielleicht können wir uns jetzt alle entspannen. Vielleicht können wir dieses Thema jetzt im Hinblick auf unsere eigenen Muster und Projektionen untersuchen. Das mag dem traditionell Orientierten weh tun – jedoch von welcher Position man sich nähert – selbst von jenem Standpunkt aus, in dem die sechs Daseinsbereiche tatsächliche Orte sind, muss man verstehen, dass alle Bereiche in allen enthalten sind. Selbst vom mittelalterlichen Blickwinkel aus gibt es sechs Bereiche innerhalb der sechs Daseinsbereiche und so weiter bis ins Unendliche. Das ist die schlechte Nachricht. Einfach nur ein Mensch zu sein macht meine Geburt nicht zu einer „kostbaren menschlichen Geburt“, es hängt eher davon ab, ob ich mich hinter Konditionierungen verschanze oder ob ich es zulassen kann, dass meine Konstrukte hinterfragt werden. Aber es gibt auch gute Nachrichten: man braucht nicht körperlich zu sterben, um wiedergeboren zu werden und eine kostbare menschliche Geburt zu erlangen. Das kann jeden Moment erreicht werden, indem man erkennt, dass man in einem Netz von Gewohnheitsmustern gefangen ist – zumindest sind wir unentschieden, ob wir in diesen Gewohnheitsmustern verbleiben wollen oder nicht.

Ich glaube nicht, dass einer von Ihnen wirklich hierher gekommen ist, um die Realität anhand eines mittelalterlichen indischen Modells kennen zu lernen, wie malerisch oder farbenfroh das auch sein mag. So gibt es zum Beispiel gemäß der indischen Kosmologie einen paradiesischen Ort, den „Götterbereich“. Dann gibt den „Höllenbereich“, ein Szenario, in dem alle möglichen schrecklichen Folterungen und unvorstellbare Schmerzen an der Tagesordnung sind. Diese Welten, als individuell verschiedene Orte, sind nicht sehr nützlich für jene, die schon als Kind die Hölle kennen gelernt haben – wodurch auch immer…Aber als Muster für Geisteszustände sind die sechs Daseinsbereiche sehr nützlich. Die Hölle ist tatsächlich hier und jetzt. Man muss nicht sehr weit gehen, um sie zu entdecken. Man muss nur in die Zeitung schauen, um die Hölle zu finden. Man muss sich nur die Werbung betrachten, um den Götterbereich zu finden (Gelächter) oder wenigstens die Andeutung, dass es möglich ist, ihn in die Existenz zu locken. Ich würde gerne mit ihnen erforschen, was diese sechs Daseinsbereiche hinsichtlich menschlicher Erfahrung wirklich sind. Sie sind tatsächlich sehr real. Sie sind in jedem von uns vollkommen lebendig durch die verschiedenen Arten, auf Dualität zu reagieren oder sie zu beschwören. Sie sind verschiedene Geschwindigkeiten im kreisförmigen, sich selbst zerstörenden Mechanismus von Samsara.

Die Hölle ist ein Zustand, indem man sich in dem Versuch, Schmerz zu vermeiden, selbst den größtmöglichen Schmerz zufügt. Wir können feststellen, dass Hölle auf der Welt stattfindet. Man findet sie jeden Tag in den Nachrichten und in den Straßen. Sie findet die ganze Zeit statt. Die Hölle, im buddhistischen Sinne, ist unterteilt wie ein Einkaufszentrum oder ein Warenhaus; wir können unsere Pein unter einer schmerzlichen Vielfalt auswählen. Wir können straflos all unsere Kreditkarten benutzen, weil in der Hölle kaufen und bezahlen unmittelbar passiert. Wir bezahlen Schmerz mit Schmerz und es gibt immer noch mehr Schmerzen auf dem Konto, um damit für soviel Schmerz zu zahlen, wie jemand kaufen möchte.

Es gibt viele verschiedene Arten von Höllen, aber überwiegend werden sie in heiße und kalte Höllen unterteilt. In der heißen Hölle, der schlimmsten, empfinden wir soviel Schmerz, dass wir auf alles einschlagen. Aber beim um sich Schlagen verletzen wir uns selbst um so mehr. Und je mehr wir uns selbst verletzen, desto mehr schlagen wir um uns. Es ist, als ob du lebendig gekocht wirst – abgesehen von der Tatsache, dass du nicht lebendig gekocht wirst – es erscheint dir einfach so. Dann, sobald du daran gewöhnt bist, lebendig gekocht zu werden, fällt der Boden aus dem Kessel und der nächste kochende Kessel ist einhunderttausend Prozent heißer. Dieser Höllenzustand wird so intensiv erlebt, dass die einzige Antwort darin besteht, mehr Intensität zu erschaffen. Dann nährt sich die Intensität selbst und wird sengend heiß…dann wird es noch sengender…und noch sengender…und gerade, wenn du denkst, dass es nicht mehr heißer geht…wird es noch sengender! Um so brennend intensiver es wird, desto intensiver muss die Reaktion darauf sein. Wir befinden uns in einer Schlacht gegen unsere eigene Intensität aber wir bemerken es nicht. Wir empfinden es so, als ob es die Außenwelt ist, die wir bekämpfen. Du fühlst, dass die Intensität von außen auf dich zukommt, statt dass du sie selbst erschaffst. Es ist eine Situation intensiver Paranoia. Es ist eine Situation intensiver Angst. Hölle passiert, wenn unsere Reaktion auf den ursprünglichen Raum hochgradig klaustrophobisch wird. Alles wird zur Bedrohung. Wut wird auf die Außenwelt projiziert und zurückreflektiert. Wir reagieren auf unsere Außenwelt, als ob sie feindlich wäre und sofort wird sie feindlich.

F Kann man durch die Verdunkelung eines der fünf Elemente dorthin gelangen?

NR Nun…aus einer Sichtweise heraus könnte man sagen, dass die Hölle das Resultat einer Intensivierung der Neurose des Wasser-Elementes ist, das Resultat von Zorn. Zorn ist die Wurzel des Höllenbereichs, aber in Wirklichkeit manifestieren sich alle Elemente darin. Man kann die sechs Daseinsbereiche nicht wirklich in Orte bezogen auf die Elemente aufspalten, weil sie alle Elemente enthalten.

F Also…bedeutet die Klaustrophobie der Hölle, dass die ganze Scheiße aus allen Richtungen auf dich zu kommt?

NR IGenau … um eine Fäkal-Analogie zu gebrauchen … wenn sie den Ventilator trifft, alles davon, die Konsequenz jeder samsarischer Verdauungsbewegung, die du jemals in deinen vergangenen Leben hattest. Wie stark sie trifft, hängt von der Geschwindigkeit ab, in der sich die neurotischen Muster der Elemente drehen. In der Hölle wird das nicht als der lauwarm entleerte Kot der täglichen Frustration erfahren, es ist flüssiger, brennender Kot – aber er braucht gar nicht wirklich vorhanden zu sein … es ist eher so, dass wir glauben, ihn als real zu erfahren. Es könnte so scheinen, als ob er von allen Richtungen kommt, weil wir selbst ihn werfen.

FAlso wirft alles, was wir anschauen eine Bedrohung auf, weil wir die wahrgenommenen Phänomen als bedrohlich erfahren?

NR Ja. Wir reagieren mit Aggression, um uns zu schützen, aber unsere Aggression schafft einfach mehr Angst und eine größere Bedrohung. Wir beginnen, alles als Bedrohung zu behandeln; und was immer wir als Bedrohung behandeln, wird zur Bedrohung. Die Welt erwidert unsere Angst und Aggression auf immer offenere Weise.

F Rinpoche, kannst du ein Beispiel nennen?

NR Nun…ich denke, wenn jemand im Begriff ist, etwas zu tun oder zu sagen, das mich verletzt, kann ich denjenigen so behandeln, dass er wirklich anfängt, etwas tun zu wollen, das mich verletzt. In diesem Fall mag die Aggression in der anderen Person gar nicht vorhanden gewesen sein, ich könnte sie aus meiner eigenen Paranoia heraus erschaffen haben. Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand mich nicht besonders leiden kann und ich mich misstrauisch gegenüber demjenigen verhalte…wenn ich ständig auf den geringsten Scherz mit Feindseligkeit überreagiere – wer immer es auch ist, wird wahrscheinlich anfangen, Abneigung gegen mich zu entwickeln.

Also…ich habe das Gefühl meiner eigenen Wirklichkeit und projiziere diese persönliche Wirklichkeit auf das Leben. Und dann beginnt das Leben, diese auf mich zurückzuspiegeln. Die Hölle bedeutet, dass dieser Prozess zu einer Endlosschleife wird. Dann wird diese geschlossene Schleife zur Aderpresse. Das ist die Hölle, oder? Aber wir waren alle einmal dort, in der einen oder anderen Form oder Gestalt. Das ist, als ob du stolperst und dich verletzt und du dich fühlst, als hätte das Leben das mit Absicht getan; also schlägst du mit der Faust gegen die Wand oder trittst ein Loch in die Hintertür und verletzt dich noch mehr. Dann wirst du von dem Schmerz abgelenkt und stößt dir den Kopf an der Tür des Küchenschranks, den du offen gelassen hast. Die scharfe Kante ritzt deine Stirn auf und ein Tropfen Blut rinnt auf dein sauberes weißes Hemd – das einzige saubere Hemd, das du noch hast und du musst zu einer Geschäftsbesprechung. Du versuchst, es wegzuwischen, aber der Spüllappen ist voller Kaffeesatz und nun hast du einen großen braunen Espressofleck. Du reißt dir das Hemd vom Körper, um es zu waschen, aber du tust es so heftig, dass du es zerreißt. Dann schmetterst du vollkommen frustriert und unglaublich wütend deinen Kopf gegen das Fenster und es endet damit, dass du zur Unfallstation gehen musst, um genäht zu werden. (allgemeines Gelächter, bis auf Ngak’chang Rinpoche, der nicht einmal lächelt) Das passiert wirklich. Ein Mann erzählte mir diese Geschichte über sich – die Leute machen so was tatsächlich.

Dann gibt es die kalte Hölle. In der heißen Hölle gibt es dieses wahnsinnig rasende um sich Schlagen, aber in der kalten Hölle wirst du katatonisch – komplett und vollkommen gefroren. Du bist erschöpft. Du kannst nicht mehr kämpfen. Du liegst einfach nur da, paralysiert und unbeweglich. Der Schmerz ist bis zu einem gewissen Grad zur Norm geworden und so – egal wie furchtbar er sein mag – er ist von unendlicher Dauer und lässt dich sehr genau spüren, dass du verloren hast. Es gibt keinen Sieg. An diesem Punkt wird es möglich, zu Boden zu sinken, selbst wenn der Boden voll von Schmerz und Angst ist. Dies ist ein minderer Grad psychischen Schmerzes, wo man sich nicht bewegt, weil jede Bewegung nur noch mehr Schmerz verursacht, selbst die Bewegungen der paranoiden geistigen Momente. Jedweder Ansatz von Offenheit gegenüber irgend etwas verschließt sich. Man verschließt sich vor allen Möglichkeiten, weil alle Möglichkeiten Schmerz enthalten. Man schneidet sich von den eigenen Projektionen des Schmerzes ab, in dem man sich weigert, sich zu bewegen. Die Projektion bleibt, aber man hörst auf, damit zu interagieren. Der Schmerz scheint „da draußen“ zu sein und man versucht, mit ihm zu kämpfen oder nicht. Man entscheidet sich, nicht zu kämpfen, weil das Kämpfen bloß Schmerzen verursacht.

In der heißen Hölle scheint der Schmerz einfach ohne Unterlass vorzudringen, also muss man ihn bekämpfen, wie du es tun würdest, wenn du lebendig gekocht würdest. Aber in der kalten Hölle sitzt der Schmerz einfach da und starrt dich an wie ein Raubtier. Er ist einfach da…eine riesige, brütende Präsenz. Ihm kann man nicht entkommen, du kannst dich nur in dich zurückziehen. Der Schmerz ist zu einer statischen Landschaft geworden, in der du gefroren und bewegungslos bist. Es ist immer noch Schmerz, aber es gibt einen größeren Schmerz da draußen, dem man entkommen kann, indem man alle Interaktion vermeidet. Wahrscheinlich gäbe es bessere Haltungen, die man einnehmen kann, aber du bist nie sicher, ob diese andere Haltung nicht noch mehr Schmerz verursacht.

F Ist das der Schmerz der Isolation?

NR Jede Form von Schmerz. Aber es ist hauptsächlich der Schmerz, mit etwas nicht zurechtzukommen. Weil: wie immer du damit zurechtzukommen versuchst, verursacht es Schmerz.

Q Kann der auch körperlich sein?

NR Ja. Aber körperlicher Schmerz entsteht aufgrund schmerzvoller Projektionen. Wenn du in einem Zustand bist, wo dir etwas Schreckliches passiert und du so komplett verängstigt davon bist, dass du anfängst, um dich zu schlagen, gegen jeden – wird dir das am Ende körperliche Schmerzen bereiten. Oder wenn du körperlichen Schmerz verspürst, schlägst du um dich, du reißt dir die Haut von deinen Händen und musst gebändigt werden. Du schlägst eigentlich um dich, um den Schmerz zu bekämpfen, aber der Versuch, dem Schmerz zu entkommen, endet mit noch mehr Schmerz. Du hast nicht nur den körperlichen Schmerz, in welcher Verfassung du auch immer sein magst, du hast außerdem noch blutende Knöchel, wo du gegen die Wand geschlagen hast.

Diese Daseinsbereiche sind alle mehr oder weniger die Erfahrung von Schmerz. Sie sind der Prozess der dualistisch verzerrten Elemente als sich selbst zerstörende Kreisläufe, entweder beschleunigend oder bremsend. Die schrecklichste heiße Hölle ist: „unmittelbares Karma“ und die Götterbereiche sind endlos hinausgeschobenes Karma. Im Götterbereich sind die sich selbst zerstörenden Zyklen der dualistisch verzerrten Elemente sehr, sehr langsam. Dein Verhalten hat für lange, lange Zeit keine Auswirkungen. In den niederen Bereichen erfährst du diese Auswirkungen schneller und schneller. Die sechs Daseinsbereiche sind sechs Arten der fünf zyklischen Element-Neurosen. Sie kehren periodisch wieder, entweder schneller oder langsamer; abhängig vom Intensitätsgrad deiner Verpflichtung zu beweisen, dass du fest, dauerhaft, getrennt, beständig und definiert bist. Im Götterbereich sind die elementaren Kreisläufe enorm in die Länge gezogen. Im Höllenbereich geschehen die Kreisläufe der Elemente praktisch unmittelbar. Wenn man die Elemente betrachtet, ist es wichtig zu verstehen, inwiefern sie sich selbst unterminieren.

F Kannst du ein Beispiel geben?

NR Nun, sagen wir mal, du siehst dieses sehr, sehr schöne Ding in einem Laden. Dich gelüstet danach, weil es das Wunderbarste ist, das du je gesehen hast. Dass du es dir nicht wirklich leisten kannst, macht es so köstlich. Also musst du viel daran denken. Also musst du daran denken, um wie viel perfekter dein Leben sein würde, wenn du dieses wunderbare Ding hättest. Je mehr du darüber nachdenkst, desto wundervoller erscheint es und umso düsterer scheint dein Leben ohne es zu sein. Also sparst du dafür. Du schränkst deine Ausgaben in gewisser Weise ein oder du spielst verrückt mit deiner Kreditkarte und scherst dich nicht um die Konsequenzen. (Gelächter) Du gehst los und holst es dir. Dann gehört es dir! Aber sobald es dir gehört, ist es nicht mehr ganz dasselbe. Du möchtest es, weil du eine Art von fundamentaler Isolation in dir fühlst und du das Bedürfnis hast, dich mit einem tröstlichen oder erregenden Bezugspunkt zu vereinigen … du mochtest dich mit diesem Wunschobjekt vereinigen, aber sobald du es hast – vvvvvttt – ist es auch schon wieder weg. Es verschwindet, weil du es besitzt, es ist in deine Welt eingetreten und deshalb zu dir geworden bzw. ein Teil von dir geworden. Was es so begehrenswert gemacht hat, war das es nicht du war, es war anders. Sobald du es in deine Welt ziehst – wusch – verschwindet es. Aber es braucht eine Weile, um zu verschwinden.

Am Anfang ist es eine erfreuliche Sache: die Lederjacke, die Cowboystiefel, das Auto, der Liebhaber, der Bagel, das Leopardenfell-Käppi, das buddhistische Buch, der irische Wolfshund, der Jagdmantel von Gieves und Hawk, die Mississippi-Spielerweste, der 44`er Colt Anaconda oder was immer es auch ist. Du bist in glückseliger Vereinigung mit ihm, tanzt jubelnd damit herum, aber nach einer Weile geht es zurück in das graue, schwer zu beschreibende Gewebe der täglichen Erscheinungen. Es bleibt eine Zeitlang, dann „verschwindet“ es.

Im Höllenbereich ist alles sofort vorbei. Sobald du nur irgendetwas hast, ist es weg und beim Weggehen beißt es dich noch ganz brutal. Es verschwindet sofort und lässt dich mit emotionalen Verbrennungen dritten Grades zurück. Das schmerzende Bedürfnis nach einer Ruhepause ist ein quälendes Verlangen, welches ständig auf allerschlimmste Weise bestraft wird. Alle Hoffnung löst sich sofort in ihrem Entstehen auf. Jede Möglichkeit, den Schmerz zu lindern, wird sofort brutal zerschmettert. Mit jedem Element, das im Höllenbereich funktioniert, beschleunigt sich der selbst-unterminierende Prozess hin zu einem unerträglichen Grad, wo es keine Wahl außer dem Ertragen gibt. Und das Ertragen ist ein ständiger Kampf im Bemühen, weniger zu leiden, selbst für den Bruchteil einer Sekunde. In der heißen Hölle erreicht das Höchstgeschwindigkeit. So sind die sechs Daseinsbereiche sechs verschiedene Arten von Beschleunigung und Verlangsamung.

F Kann man fragen, warum sie sich beschleunigen?

Natürlich. Beschleunigung wird durch Kämpfen verursacht, indem man die Realität bekämpft, um weniger zu leiden oder beim Versuch zu irgendeinem verlorenen Frieden oder Vergnügen zurückzugelangen. Verlangsamen wird durch Entspannung erreicht, indem man den Kampf mit der Realität beendet und das Bedürfnis aufgibt, etwas erreichen zu wollen. Kämpfen verursacht Beschleunigung. Entspannung verursacht Verlangsamung. Und diese Wahlmöglichkeit existiert jeden Moment. In einer Situation kann man entweder reagieren, indem man sie zu manipulieren versucht oder die Kontrolle darüber erlangen will oder man kann sagen [seufzt] okay, ich werde darauf nicht sofort reagieren. Ich werde dir jetzt nicht die Nase brechen, weil du diese Frage gestellt hast. Das wollte ich eigentlich in dem Moment tun, aber das werde ich nicht tun, ich werde eine Weile sitzen und eventuell gebe ich meine Antwort ganz auf. Das ist etwas, das immer da ist. Man bewegt sich durch die Daseinsbereiche immer entweder durch Kämpfen, das heißt manipulierend und in dem Versuch, die Kontrolle zu bekommen; oder durch Entspannen indem man die Situation akzeptiert und ihr Raum gibt. Der Begriff des Akzeptierens ist nicht immer ganz hilfreich, weil es sich anhört, als ob der Weg nach vorn oder der Weg zur Befreiung darin bestehen würde, dass man einfach alles akzeptiert, was geschieht. Vielleicht ist ein besserer Ausdruck für Akzeptieren: „Raum geben“. Man könnte sich entscheiden zu handeln, aber man handelt nicht sofort. Der Wunsch, sofort auf etwas zu reagieren, das du als bedrohlich empfindest, entspringt immer der Gewohnheit, weil es das Erste ist, was dir in den Sinn kommt. Du weißt etwas erscheint, also zerstöre ich es, ich muss diese Bedrohung los werden.

Man kann nicht sagen, na ja vielleicht ist es ja keine Bedrohung. Oder vielleicht ist es eine Bedrohung, die O.K ist. Vielleicht stellt mir diese Person eine Frage, die sich bedrohlich anhört, aber vielleicht kann ich sie beantworten. Sobald du ein „vielleicht“ hast, gibt es Raum. Wenn es eindeutig ein Angriff auf mich ist, werde ich diese Person einfach zerstören, ich werde dieser Person keine Antwort geben, ich werde diese Person statt dessen erniedrigen, so dass sie mir keine weitere Frage mehr stellen kann. Da ist dann diese Qualität von vvvvtttt! Es ist einfach da und diese unmittelbare Reaktion scheint einem Aspekt der Realisation sehr nahe zu kommen. Du könntest sagen, es ist wie Spontaneität. Aber es ist das totale Gegenteil von Spontaneität: es passiert sofort, aber es ist keine Spontaneität, es ist eine vollständig klaustrophobische Gewohnheit. Es gibt keinen Raum für irgendeine andere Möglichkeit. Also, indem man „vielleicht“ sagt, oder „ich frage mich, was das ist“, oder „wie sollte ich darauf reagieren?“ – alle diese Reaktionen sind genaugenommen ein Raum, in dem du fühlen kannst, was du fühlst und du eine Wahl hast, wie du darauf reagieren wirst. Das geschieht quer durch alle Daseinsbereiche.

So, das waren die heiße und die kalte Hölle. Dann gibt es den Hungergeister-Bereich. Diese Bereiche sind sehr viel leichter zu verstehen, wenn man sie im Zuge von Beschleunigung und Verlangsamung sieht. Also bremsen wir jetzt ab. Was geschieht, braucht länger, um zurückzukommen. Der Hungergeister-Bereich entsteht aus der kalten Hölle heraus. Möglicherweise musst du dich vom Zustand, gefroren zu sein oder vom Aufrechterhalten der Starrheit erholen. Du entspannst dich, weil du dich nicht mehr dazu in Beziehung setzen kannst, wie du deine Starrheit aufrecht erhältst. Wenn du dich aus der heißen Hölle heraus entspannst, hörst du auf um dich zu schlagen; und wenn du aufhörst, um dich zu schlagen, fühlst du dich besser. Aber dann gefrierst du, weil du es auf keinen Fall noch einmal wagst, diese dauernd eskalierende Intensität zu provozieren. Du wagst dich nicht in irgendwelche anderen Erfahrungsfelder, die sich dir präsentieren, weil sie alle nach Schmerz aussehen. Also frierst du alles ein, um zu überleben. Du bleibst in der Anspannung des gefrorenen Zustandes und verweigerst jede Bewegung, selbst wenn eine Chance besteht, eine gewisse Situation vorzuziehen. Du gehst da nicht hinein, weil du gelernt hast, dass Einfrieren dich schützt.

Normalerweise braucht es eine gewisse Anstrengung, um gefroren zu bleiben, weil ständig Möglichkeiten auftauchen. Der erleuchtete Zustand blitzt immer wieder auf, selbst in der Hölle! Und wenn das passiert, hat man die Gelegenheit, zu reagieren – mit zu gehen oder damit zu kooperieren. Wenn du dich in dieses Gefühl der Chance entspannst, eröffnet sich immer etwas Neues. Es fühlt sich immer wie ein großes Risiko an. Aber wenn du das erste Mal bemerkst, dass es eine Möglichkeit gibt, die nährender erscheint, betrittst du den Hungergeister-Bereich. Du schmeckst etwas anderes und du wirst sehr hungrig nach positiven Erfahrungen. Das Problem ist, dass es ein vollkommen selbst-besessener Zustand ist. Du hast weder Interesse noch Respekt vor dem, auf was du dich einlässt, du willst die Dinge einfach verschlingen. Weil es keinen grundlegenden Respekt vor dem gibt, was verschlungen wird, gibt es kein Mitgefühl in der Beziehung zu ihm. Wenn” es in deiner Beziehung zu den Phänomenen kein Mitgefühl gibt, verwandelt sich alles, was du verschlingst, in Gift. Was du auch trinkst, verwandelt sich in etwas Abscheuliches, traditionell wird gesagt, es verwandelt sich in flüssiges Feuer. Das ist die Art von Analogie, die mit dem Begriff Hungergeist ausgedrückt wird, dem Yidag. Der Yidag ist ein Wesen mit einem riesigen Mund und einem sehr dünnen Hals. Es kann eine höllische Menge in seinen Mund bekommen aber es kann nichts schlucken. Was immer es sieht, schaut gut aus, also wird es gegessen, aber dann verwandelt es sich immer in etwas Schlechtes. Es stellt sich als wirklich scheußlich heraus. Es stellt sich als übel heraus, wegen der Art und Weise, in der es in den Mund gestopft wird.

Es ist ein bisschen so wie in ein tolles Restaurant zu gehen, wo das Essen wunderbar ist, aber du fläzt dich über das Tischtuch und sabberst auf den Arm des Kellners. Wenn das Essen dann kommt, stopfst du es so schnell in deinen Mund, dass du würgen musst. Es endet damit, dass du es quer durch den Raum spuckst und auf den Teppich erbrichst, weil du alles auf einmal reingestopft hast. Stücke der halbgegessenen Mahlzeit stecken in deiner Nase, was dich noch mehr zum Würgen bringt. Wahrscheinlich stirbst du, wenn dir nicht jemand auf den Rücken klopft. Egal wie schmackhaft es war, es verursacht Schmerzen – weil es genau das ist, was passiert, wenn du dich in eine Art menschlichen Staubsauger verwandelst. Du kannst unmöglich das Essen so schnell schlucken, wie du möchtest. Da ist soviel in deinem Mund, dass du es nicht hinunterschlucken kannst, aber du kannst es auch nicht herausnehmen, weil du hungerst. So fühlt es sich an ein Yidag zusein. Ich gebe den Yidags den Spitznamen „Intellektuelle“, weil es das ist, was Intellektuelle tun: sie verschlingen Information und spucken sich damit gegenseitig an.

F Würdest du sagen, das ist ein wenig wie das Feuerelement?

NR Auf eine Art, ja. Alle Elemente sind in jedem der Daseinsbereiche enthalten – und wie alle Elemente erschöpft sich das Feuerelement schließlich selbst. Wenn der Zustand des Hungrigen Geistes sich selbst erschöpft, hast du die Möglichkeit, mit diesem Raum der Erschöpfung zu sein, weil Erschöpfung bedeutet, dass diese Gewohnheit für einen Moment aufhört. In diesem Moment kannst du entweder die Gewohnheit wieder aufnehmen oder in diesem Raum verweilen. Es ist wichtig, das als Wahlmöglichkeit zu sehen. Es gibt immer Möglichkeiten zur Realisation. Und sie sind eingebaut in den Prozess der Erschöpfung und des Kampfes: du kämpfst eine Weile, bis du nicht mehr kämpfen kannst, bis du erschöpft bist, dann gibt es Raum. Und du ziehst dich entweder aus diesem Raum zurück und errichtest dasselbe Verhaltensmuster wieder, oder du kannst in diesem Raum lange genug bleiben, um zu erkennen, dass da noch etwas Anderes ist.

Wenn du lange genug in diesem Raum bleibst, wirst du gewöhnlich von deiner Art der Beziehung mit diesem Anderen abhängig. Weil es dem vorzuziehen ist, wo du gewesen bist. Du brauchtest den Raum, um es zu sehen, aber nachdem du es gesehen hast, bist du nicht in der Lage damit zu tanzen, statt dessen greifst du danach. Und das zwingt dir eine neue Art der gestörten Beziehung auf, oder du erschaffst sie aus deiner Erfahrung dessen, was vorzuziehen ist.

F Ich habe den Faden verloren, was mit ‚es‘ hier gemeint ist …

NR ‚Es‘ ist die Möglichkeit einer neuen Art der Beziehung mit den Phänomenen. In der heißen Hölle ist es einfach entsetzlich, alles brennt, alles, was du anfasst, verbrennt dich. Nicht nur, dass es dich verbrennt – es ist das Gefühl, dass du dich nicht aus diesen Feuerzonen heraushalten kannst. Sie scheinen auf dich zuzukommen. So hast du scheinbar keine andere Chance, als mit ihnen zu kämpfen, um sie abzuwehren. Also bedeutet ‚Es‘, wie du dich in Beziehung zur phänomenalen Welt siehst, im Sinne deiner Existenz und Nicht-Existenz. ‚Es‘ bedeutet deine Beziehung mit deiner eigenen Wirklichkeit. ‚Es‘ ist nicht nur die äußere Welt, sondern auch deine innere Wirklichkeit. ‚Es‘ ist deine Beziehung zu dir selbst … in einem gewissen Sinne. ‚Es‘ ist, wie du dich erfährst, im Kontext deiner gesamten Umwelt. Das ist ‚Es‘ und es gibt sechs verschiedene Möglichkeiten, wie diese Beziehung funktioniert.

Q Also ist das Ding, von dem du abhängig wirst, die Art der Beziehung zu dem Daseinsbereich, auf den du zugehst – und auf diese Weise bleibst du darin stecken?

NR Nun … ja und nein. Es ist entweder derjenige, in den du gerade eintrittst oder derjenige, den du gerade verlassen hast – aber irgendwie kannst du keinen richtig sehen. Der eine wird durch Entspannung ermöglicht, den anderen verlierst du durch Kämpfen. Alles erschöpft sich selbst…und an diesem Punkt der Erschöpfung können wir uns immer nur entweder entspannen oder wieder anfangen zu kämpfen. Das mag auf eine Art mysteriös klingen, aber du kannst diesen Moment jedes Mal erleben, wenn du meditierst. Das ist es eigentlich, was Meditation bedeutet.

Q Was wird im Götterbereich erschöpft?

NR Das Vergnügen erschöpft sich selbst durch seine gleichförmige Beschaffenheit. Diese Gleichförmigkeit kann nicht für immer andauern, weil sie gegensätzlich zu jeder Art von Rauheit oder Störung ist. Und wenn du dich dann in den Kampf begibst, um dieses seidige, nahtlose Feinstumpfhosen-Gefühl wiederzubekommen, verlierst du es. Zu versuchen, es wieder zu bekommen, wirft dich automatisch in den Bereich der eifersüchtigen Götter zurück. Zu versuchen, dort hin zu gelangen, versetzt dich woanders hin. Das ist wichtig zu verstehen: Vergnügen zu suchen oder Umstände kennen zu lernen, um Vergnügen zu erfahren, ist gut. Aber diese Umstände dauern nur für eine bestimmte Zeit an, dann erschöpfen sie sich. Wenn du dich mit ihnen verbindest, wenn sie sich auflösen, dann erschafft dieser Geisteszustand automatisch einen niedrigeren Daseinsbereich, einen schmerzvollen oder beschleunigten Aspekt der Erfahrung.

Wenn der Hungergeisterbereich – dieser Yidag Bereich – sich erschöpft, hast du einen Moment, in dem du sagen kannst: ‚nun ja … was immer ich auch esse, bleibt mir im Hals stecken, was immer ich auch trinke, verbrennt mich – es ist alles das Gleiche … ich werde dem nicht mehr nachjagen; und was immer vorbeikommt, wenn es vorbeikommt, das könnte ich mir mal ein wenig länger anschauen; und…na ja, ich werde es weniger hastig reinstopfen, weil ich weiß, dass mir das gar nicht gut tut.‘ Dann wird das der Tierbereich genannt. Es gibt in diesem Bereich keinen Humor, wirklich. Weil du weißt, dass es – was immer es auch ist – schrecklich schmecken wird, das ist nicht sehr lustig. Es ist noch nicht einmal ironisch, es gibt keine Ironie im Tierbereich.

Du verlangsamst dich auf die Ebene struktureller Vergleiche – du möchtest nicht wirklich viel über deine Sinnesfelder wissen – im ästhetischen Sinne. Die Sinnesfelder sind einfach da und was immer in sie eindringt, dringt in sie ein. Du antwortest auf das, was kommt, nur hinsichtlich der Menge. Es gibt keinen Raum für nicht eindeutige Informationen. Wenn du solche Misch-Botschaften erhältst, erinnern sie dich einfach an den Schmerz – du ängstigst dich und musst angreifen. Aber du bist davon nicht abhängig, du kannst auch einfach nur herumliegen. Wenn nichts Beängstigendes vorbeikommt, musst du nicht angreifen – die Dinge sind ziemlich Schwarz-Weiß. Die Art der Erschöpfung, die typisch für den Tierbereich ist, ist tödliche Langeweile. Es ist so wenig aus allem herauszuholen, dass Erschöpfung rein deshalb geschieht, weil du nicht mehr mit dem Schmerz des Kontrastes gefüttert wirst. Alles schmeckt gleich, also fällt die Angst vor dem Gedanken weg, dass sich alles in Schmerz verwandeln wird. Es wird möglich, zwischen den Dingen zu unterscheiden: gewisse Dinge schmecken tatsächlich besser als andere und wenn man sie langsam genug kostet, kann man sich entscheiden, was man ausspuckt. Du musst es nämlich nicht essen, was immer es auch ist, es gibt Dinge, die vorzuziehen sind. Das nennt man den Menschenbereich. Es gibt einen Grad der Wahl im Menschenbereich und er wächst in seiner Vielfalt, je mehr er erforscht wird. Und im Menschenbereich taucht der Sinn für Humor auf.

F Was ist die Verbindung zwischen unterscheidendem Geschmack und Sinn für Humor?

NR Sinn für Humor ist im Grunde die Fähigkeit, Dinge nebeneinander zu stellen. Also bedeutet unterscheiden, wenn man sagt: nun, das ist grün und das ist blau und man sieht das zusammen und es gibt eine Wahl, welches davon du magst. Und dann, wenn du jemanden siehst, der das gut findet, was du nicht magst, dann ist das sofort auf eine gewisse Art amüsant. Wenn es möglich ist, Lox und Bagels zu essen und jemand isst dann Porridge, dann ist das wirklich ziemlich lustig. Weil du jemanden etwas wählen siehst, von dem derjenige denkt, dass es Vergnügen bedeutet – es ist für ihn Vergnügen, aber für dich nicht. Humor kommt aus Ungleichheit. Das ist eine innewohnende Ironie. Humor entsteht aus der Fähigkeit zur Unterscheidung. Weil nicht nur du es bist, der unterscheidet, jeder sonst unterscheidet auch und es ist dir bewusst, dass sie alle wissen, sie können unterscheiden.

F Also ist das das unterscheidende Gewahrsein …

NR Nein, nur Unterscheidung. Einfache Unterscheidung auf dem Niveau von ‚Ich mag es‘ ‚Ich mag es nicht‘. Im Tierbereich magst du nicht damit belästigt werden, irgendeine Philosophie aus deinen Vorlieben zu machen, das ist viel zu anspruchsvoll. Aber im Menschen- bereich wird es möglich eine Philosophie aus der Unterscheidung zu machen, die dann zur Basis deiner Beziehung zur Welt wird. Dann verbinden wir uns mit jenen, die unsere Philosophie teilen. Wir kommunizieren und miss-kommunizieren zur selben Zeit und da kommt der Humor ins Spiel. Das Nebeneinanderstellen verursacht eine Verschiebung in den Gedankenmustern – eine momentane Desorientierung. Deshalb kann Kommunikation für die Menschen im Menschenbereich sehr amüsant sein. Humor ist sehr nützlich, weil er ein gewisses Gefühl für Raum schafft – je mehr Humor, desto besser! Wir können sogar über uns selbst lachen. Ich kann sagen: ‚Ich habe gerade etwas wirklich Dummes gemacht! Ich habe mein Halstuch mit den Tagliatelle zusammen gebraten.%lsquo; Aber ich muss den Raum haben, um das lustig zu finden. Es ist auch eine Erleichterung weil, hey, ich muss nicht vorgeben, dass ich solche Dinge nie machen würde; und diese Leute, die über meinen Fehler lachen, sie machen sich nicht über mich lustig. Sie lachen mit mir, weil sie auch solche Dinge machen.

Der Menschenbereich ist der Ort, wo wir anfangen können zu praktizieren und wo wir den nicht-dualen Zustand realisieren können. Es gibt nicht allzu viel Schmerz und nicht zu viel gleichförmiges Vergnügen. Wenn es zu viel Vergnügen gibt und seine alles durchdringende Glätte zu idyllisch wird – auf krankhaft süße Weise – gibt es kein Gefühl, mit dem wir praktizieren könnten. Es gibt keine Schärfe, keine bittere Süße, keine saure Variante … es gibt keinen Wechsel, keinen durchdringenden Geruch nach Kordit, keine erdige Poesie … wir brauchen das, um zu praktizieren.

Außerdem … wenn es zuviel Annehmlichkeiten gibt, gibt es nicht genügend Humor. Humor verschwindet, wenn die Dinge zu leicht und gleichförmig in ihrer ruhigen Abgeklärtheit werden. Deshalb entsteht Humor oft durch unangenehme Zustände – da gibt es Ironie. Humor ist ein natürlicher Bestandteil bei der Erschaffung von Konstrukten. Wenn wir mit Konstrukten arbeiten, werden wir von ihnen im Stich gelassen. Dann erschaffen wir noch höher entwickelte Konstrukte, weil wir bemerken, dass das vorherige Konstrukt fehlerhaft war. Das vorherige Konstrukt war zu einfach – es funktionierte nicht so gut. Wir müssen unsere Konstrukte verfeinern, um die Annehmlichkeiten zu bekommen, die wir wollen. Also denken wir: ‚Ah, es geht also nicht nur darum, eine Beziehung zu einem Mann oder einer Frau zu haben, ich muss da genauer sein, er oder sie muss ausgeglichen sein‘ Also suchen wir einen ausgeglichen Partner, aber entdecken dann, dass er oder sie depressiv sind. Also denken wir :‚Richtig … er muss beides sein, ausgeglichen und fröhlich. Das ist die Antwort!‘ Aber dann entdecken wir, dass er irgendein anderes Problem hat. Er ist ausgeglichen und fröhlich, aber mag weder unseren Musikgeschmack noch unsere Möbel oder Inneneinrichtung. Also denken wir: ‚Richtig …‘ und so weiter. Wir müssen mit dem, was uns angenehm ist, immer mehr ins Detail gehen. Wir erschaffen immer ausgefeiltere Konzepte darüber, wie man das Leben in halten kann. Im Menschenbereich haben wir wirklich das Gefühl, dass es möglich wäre, es in Gang zu halten.

Aber auch der Menschenbereich erschöpft sich selbst. Die Erschöpfung resultiert aus einem Gefühl des Erfolges. Wir entdecken, dass wir das Leben ganz gut zum Laufen bringen können – dann können wir anfangen, etwas raffinierter zu sein. Wir hören auf, so hart zu arbeiten und beginnen statt dessen Theorien und Strategien über die langfristigen Aussichten des wahrhaft unmöglichen Traums zu schmieden. Es ist uns bewusst, dass es Leute gibt, die das tatsächlich geschafft haben und wir verstehen nicht ganz, wie. Es scheint, als ob sie einfach total losgelassen haben und jetzt sind sie im Götterbereich angelangt, einfach durch Loslassen. Aber das scheint gänzlich unplausibel zu sein, denn wenn wir versuchen loszulassen…geschieht nichts. Der Götterbereich geschieht nicht. Der Cadillac fährt nicht vor und bringt uns zum Privatjet, das Kreditrahmen ist nicht unbegrenzt. Also müssen wir eine Vorgehensweise entwickeln, um vorzutäuschen, wir würden loslassen, während wir uns mit einer Menge höchst unauffälliger Manöver beschäftigen. Und es wird sehr vertrackt. Die Götter scheinen zu sagen: ‚Nun…wenn du erfolgreich sein willst, sei einfach du selbst. Das habe ich getan.‘ Und wir sagen: ‚Hast du das tatsächlich getan? Du warst einfach nur du selbst und jeder liebte dich? Sie gaben dir all das Geld? Sie kauften dein Buch? Sie kauften die Filmrechte? Und alles, was du getan hast, war du selbst zu sein? Du hast dich nicht darum bemüht?‘ Also schauen wir uns den Götterbereich an, wir haben eine Sicht des Götterbereiches, aber wir verstehen nicht ganz, wie die Götter dorthin gelangt sind. Das lässt ein Gefühl von sehr tiefem Argwohn gegenüber allem entstehen – dass etwas sehr, sehr Subtiles passieren muss, um uns von ‚hier‘ nach ‚da‘ zu bringen. Und egal, wie sorgfältig wir die Situation untersuchen, wir können nie näherkommen. Der Götterbereich ist immer ein tausendstel Zentimeter jenseits der Dimension unserer Konstrukte …

F Also wären wir auch unseren Vergnügungen gegenüber mißtrauisch?

NR Ja, weil jeder uns sagt, dass wir entspannen sollen: ‚Hey, entspanne einfach, Kind … alles wird gut.‘ Und wir denken: ‚Verdammt! Wenn ich mich entspanne, wird es furchtbar!‘ Aber wir sehen, dass sie so entspannt sind … Wie können wir nur zu diesem entspannten Ort durch Entspannung gelangen: es muss einen anderen Weg geben, das zu tun, als sich zu entspannen – weil, wenn wir entspannen, verpassen wir einfach Chancen! Wir können nicht ganz glauben, dass Entspannung auf diese Weise funktioniert. Es gibt diese Paranoia, die mit dem Bereich der eifersüchtigen Götter einhergeht, weil wir denken, es muss da einen sehr speziellen Trick beim Götterbereich geben. Also verbringen wir eine Menge Zeit damit, wie wild alles zu analysieren. Wir schauen von außen auf den Götterbereich und fragen uns, wie man da hineinkommt. Entspannung entsteht durch das bloße Verstehen, dass wir nicht dorthin gelangen können. Und außerdem macht es keinen Sinn es zu versuchen. Dann – zu unserem Erstaunen – sind wir dort. Dorthin zu gelangen wird einfach dadurch erreicht, dass wir den Wunsch danach loslassen. Wenn wir das Kämpfen aufgeben, entdecken wir, dass alles wirklich erfreulich ist …

Aber es ist immer noch im Bereich der Dualität, weil ‚ich‘ es loslassen musste, ‚dorthin‘ zu gelangen. Der Götterbereich ist der langsamste Punkt im samsarischen Zyklus der sich verlangsamenden Muster der Elemente. Dies ist die fast vollständige und vollkommene Verlangsamung, deshalb ist der Götterbereich so langwierig. Du bleibst einfach dort und jeder stimmt mit dir überein … weil du so fantastisch weise bist, so fantastisch unberührt von allem. Nichts, was du tust, scheint auf unangenehme Art zurückzukehren. Du hast dir beim Erlangen der Erleuchtung zugeschaut. Du hast Anhänger, Verehrer, und sie alle denken dass du wundervoll bist. Sie denken, dass du wundervoll bist, weil du weißt, dass du wundervoll bist. Du weißt, dass du wundervoll bist, weil jeder um dich herum sagt: ‚Hey, du bist wundervoll!‘ Und du sagst: ‚Ach danke, tja… ich wusste es ja schon immer – aber sicherlich nett von euch, es zu bemerken.‘ Du sagst Leuten wundervolle Dinge und sie sagen: ‚Das war wundervoll!‘ Und du sagst: ‚Ja natürlich, das ist, weil ihr auch wundervoll seid – wenn ihr das nur so sehen könntet, wie ich das sehe. Alles ist wundervoll!‘ Sie denken, das ist sehr, sehr wundervoll und sie sagen: ‚Das ist wirklich die wundervollste Wahrheit, die ich je gehört habe!‘ Und du sagst: ‚Ja, das Wunder in allem wird in mir reflektiert, weil ich sehe, dass ich mich nicht von dieser Wundervollheit unterscheide.‘ Dann sagen sie … (Rinpoche gähnt absichtlich)

F Ist die Gefahr im Götterbereich also Langeweile?

NR Nein (gähnt) weil alles wundervoll ist.

F Aber es gibt doch eine Gefahr, oder?

NR Oh ja (lacht) eine sehr wundervolle Gefahr! Er erschöpft sich selbst, weil du total damit vergiftet wirst, wie wundervoll du bist – damit, wie wundervoll alles ist. In den traditionellen Götterbereichen passiert dann folgendes: eines Tages fängst du an, eine Spur reif zu riechen. Wenn das passiert, schauen dich die anderen Götter an und sagen: ‚Uuuhhh, dein himmlisches Deodorant nutzt sich ab.‘ Das mögen sie gar nicht, denn wenn sie sich mit dir verbinden würden, dann könnten sie ebenso zu riechen beginnen. Die anderen Götter fangen an, dir auszuweichen. Deine Verehrer verlassen dich in Scharen. Und plötzlich – in einem Augenblick – bist du wieder im Bereich der eifersüchtigen Götter. Dann kämpfst du, um zurückzugelangen, nicht bemerkend, dass es das Kämpfen ist, welches den Bereich der eifersüchtigen Götter charakterisiert.

F Wenn du die Realisation hättest, zu sagen: ‚ich rieche also … schön, das ist wundervoll, dieser Geruch ist toll, alles ist ein Geschmack …‘

NR Dann wärst du ein Yogi oder eine Yogini statt eines Glückskindes des Götterbereichs. Aber du hast noch nicht wirklich die Realisation; also besteht da die sehr starke Möglichkeit, dass die Dinge nicht wundervoll sind. Du badest in allem, wirst mehr und mehr wundervoll und das kann so erscheinen, als hättest du die Erleuchtung erlangt. Aber es gibt Unbeständigkeit…und die Dinge sind nicht immer wundervoll. Sie könnten anfangen, schrecklich auszusehen. Du erschaffst dir einen Kokon aus deiner Wahrnehmung der ‚Realisation‘. Du nimmst deine eigene Weisheit ernst und hast das Gefühl, dass du alles verdienst, was immer es auch ist; dass du so wundervoll bist wie jeder behauptet. Du glaubst es. Und weil du es glaubst, reflektierst du es nach außen. Du siehst wundervoller aus, weil du deine eigene Wundervollheit akzeptiert hast. Und alles ist nett und perfekt und im Fluss und nichts ist je … rauh oder hart oder stachelig

F Also gibt es in allen Bereichen diese für Entropie anfällige Energie, Auflösung, also ob man ganz plötzlich ein Gott wäre … und dann gibt es dieses, wo du beginnst, dich aufzulösen und es gibt einen Geruch, der in sich fast selbst-erstehend ist?

NR Es muss so sein. Es ist in jedem Bereich der samsarischen Dimension der Erfahrung. Samsara basiert vollständig auf Projektion und jede Projektion ist von endlicher Dauer. Siehst du, das Gefühl wundervoll zu sein, entsteht aus der Tatsache, dass wir es nach außen auf alles andere projizieren. Sobald wir das tun, wird es auf uns zurückprojiziert und wir beziehen uns darauf; als ob diese ‚Vollkommenheit‘ oder dieses scheinbar perfekte Genuß der Grund des Seins wäre. Wenn also die Leute aufhören, uns als wundervoll anzusehen, fangen wir an, einen leichten Zweifel an unserem Wundervollsein zu spüren.

F Also gibt es im Götterbereich immer noch Karma?

NR Es ist ein Bereich von Samsara, also gibt es immer Karma.

F Und Zufall?

NR Sicher. Es gibt immer den Zufall. Karma ist Form und Zufall oder Chaos ist Leerheit. Wenn es keinen Zufall gäbe … gäbe es keine Leerheit. Wenn es keinen Zufall gäbe, würde Karma Vorherbestimmung bedeuten. Wenn Karma Vorherbestimmung wäre, dann wäre Erleuchtung das Resultat von Karma. Wenn das wahr wäre, dann hätte Praxis keinen Nutzen. Also … du könntest dir eine scheinbar ideale Situation erschaffen und du kannst scheinbar ideal in dieser scheinbar idealen Situation sein, aber es dauert nicht für immer an, nichts tut das. Nur Leerheit ist für immer (lacht). Aber dann gibt es Form, und wenn Form nicht Leerheit ist, beginnen die sechs Daseinsbereiche wieder von vorn.

F Was würde geschehen, wenn du eine Haltung einnimmst, mit den Dingen zu spielen wenn sie erscheinen, statt zu greifen – spielen. Wäre das nur eine weitere Form?

NR Ja … aber wenn du das tust, hast du scheinbar Erfolg. Das Leben wird besser und du siedelst in den Götterbereich über und dann beginnst du ‚dich‘ ernst zu nehmen.

F Also könnte man nicht mit dem Götterbereich spielen?

NR Nein. Die einzige Möglichkeit zu spielen geschieht aus dem realisierten Zustand heraus. Siehst du, wenn du anfängst, dich zu entspannen … wenn du mit allem umgehst, wie es gerade vorbeikommt, daraus folgt einfach der Prozess der karmischen Verlangsamung. Wenn du dich dann in höhere Daseinsbereiche begibst, erhältst du eine gewisse, sehr amorphe Weisheit. Du erschaffst weniger negative Situationen. Aber deine ‚Weisheit‘ existiert immer noch in der Dualität. Es gibt ein Konzept über denjenigen, der erleuchtet wurde: ‚Ich‘ wurde erleuchtet! Der Götterbereich definiert dich selbst gemäß der Außenwelt, die zeitweise deine Wahrnehmung der ‚Erleuchtung‘ reflektiert. Ich werde in gewisser Weise zu ‚Gott‘, dem Erschaffer des Universums, weil alles eine Reflektion von ‚mir‘ ist. Also statt empfänglich für alles zu sein, was bedeutet, dass ich nicht im Zentrum bin, werde ich selbst zum Zentrum. Ich, schau, ich bin es. Und alles ist vollkommen, solange, bis es aufhört, vollkommen zu sein. So kann man der Erleuchtung am nächsten kommen, ohne erleuchtet zu sein. Der Götterbereich besteht, wenn ‚Ich‘ erleuchtet wird. Du sagst: ‚Ich bin nun erleuchtet‘ und ‚Ich‘ beobachte ‚Mich‘ im ganzen Universum da draußen. Es wird zu Meiner Schöpfung, weil Meine Beziehung zu jedem Aspekt davon Ich bin. Aber das ist auch nicht besonders unattraktiv, weil alles zu Mir kommt, alles fleht Mich an, alles betet Mich an, aus allen Richtungen…(lacht). Das wird zum wirklich großen Problem … weil es keinen Sinn für Humor gibt. Wenn es einen Sinn für Humor gäbe, wäre es einfach zu langweilig, um es zu ertragen.

F Wie ist alles perfekt, wenn es nicht perfekt ist?

NR Weil die Wesen scheinbar Leid erfahren. Aber aus dem Götterbereich heraus siehst du die Wesen Leid erfahren und du lächelst nur eine Spur nachdenklich und sagst: ‚Ah, die Welt der Illusionen … wie vollkommen es doch ist, dass alles, was geschieht, einfach geschieht.‘

F Was ist der Unterschied zwischen dieser Haltung und dem ‚Was immer auch geschieht, möge es geschehen‘, einer der drei furchtbaren Eide, von denen in der Dzogchen Tradition gesprochen wird?

NR Was immer auch geschieht – möge es geschehen. Wenn du sagst: ‚Ah, die Welt der Illusionen … wie vollkommen es doch ist, dass alles was geschieht, einfach geschieht‘, sagst du: ‚Was immer auch geschieht, möge es da draußen in Meinem Universum geschehen, wo nichts einen Einfluss auf Mich hat.‘ Ich denke, das ist der große Unterschied. Im Götterbereich würdest du wirklich sagen: ‚Was immer auch zu geschehen scheint, möge es fortfahren scheinbar zu geschehen, weil illusionäres Leiden und illusionäre Wonne nur der Traum Brahmas ist.‘

F Also gibt es im Götterbereich deshalb so wenig Raum für Mitgefühl, weil es zu wenig Raum gibt … oder weil es zuviel Raum gibt?

NR Beides. Es gibt Raum, weil es immer Raum gibt. Aber im Götterbereich wird Raum nicht immer als Raum erfahren, sondern als ausgedehnte Wahrnehmung der Weite von Mir. Die neurotische Klaustrophobie von Samsara wurde weitgehend abgeschwächt. Es gibt dieses großartige Angebot der ‚Geräumigkeit‘, wo man zu einer Art ‚space case‘ (1) werden kann. Das ist kein kreativer Raum, es ist eher der Raum der Selbst-Orientierung. Es ist der Raum der entspannten, fast grenzenlosen Selbstbesessenheit.

F Wie kann das Raum sein? Es hört sich nach einer Art von Käfig an.

NR Sicher. Es ist eine Art Käfig. Es ist nur ein sehr, sehr großer Käfig. Der Käfig wurde so groß, dass er sich unendlich anfühlt. Man kann einfach die Horizonte nicht mehr sehen. Du kannst in diesem Raum fast endlos umherreisen. Du kannst alles darin betrachten.

F Wo ist das Problem?

NR Nun … als ‚Gott‘ … kommst du immer von dem zentralen Hauptquartier deiner eigenen Realisation ‚Gott‘ zu sein. Schließlich bemerkst du, dass du den Raum nicht kontrollieren kannst. Es dauert nur lange Zeit, bis das offensichtlich wird. Als „Gott“ kannst du dich nicht mit dem Raum außerhalb des Konzeptes von ihm als ‚meiner Realisation‘ oder ‚meiner Erleuchtung‘ verbinden. „Götter-Realisation“ als die subtilste aller Täuschungen beschrieben. Wenn Götter-Realisation hast, dann wird alles natürlich zu dir. Bis … du realisierst, dass es nicht du ist. Und später … realisierst du, dass du noch nicht einmal du bist. Dann fängt die Verwirrung an. (lacht)

F Wie beziehen sich die sechs Daseinsbereiche auf die Elemente? Trungpa Rinpoche verbindet die Elemente mit den Daseinsbereichen, aber es gibt fünf Elemente und sechs Daseinsbereiche … wie funktioniert das?

NR Die Daseinsbereiche haben Eigenschaften der Elemente, aber man kann sie nicht exakt in die Elemente aufteilen. Es gibt Daseinsbereiche, wo bestimmte Elemente vorherrschen, aber jeder Daseinsbereich enthält alle fünf Elemente. Die fünf Elemente vollführen ihre zyklischen Muster in jedem Daseinsbereich. Der Unterschied zwischen den Daseinsbereichen ist mehr eine Frage der Geschwindigkeit, in der die Muster der Elemente kreisen. Wenn ich über das zyklische Muster des Feuerelementes spreche, gibt es ein Objekt der Begierde. Du greifst danach. Du ziehst es an dich. Und dann verschwindet es, weil ‚Ich‘ es besitze – es wurde zu ‚Mir‘, dadurch, dass es ‚Mein‘ geworden ist. Das geschieht offensichtlich nicht sofort – es braucht eine gewisse Zeit und diese Zeitspanne variiert gemäß des Daseinsbereiches. Für das psychologisch durchschnittliche Individuum heißt das : wenn du etwas siehst, das du magst, gehst du hin und kaufst es. Dann genießt du es eine Weile. Dann nutzt sich die Neuartigkeit allmählich ab. Aber im Hungergeisterbereich siehst du es, holst es dir und ffffftttt – verwandelt es sich sofort in eine Quelle des Schmerzes und der Enttäuschung. Der Kreislauf beschleunigt sich. Das ist die Art, wie das Feuerelement im Menschenbereich und im Hungergeisterbereich funktioniert. Dann gibt es den Höllenbereich, der mehr vom Wasserelement des Zorns manifestiert. Im Menschenbereich manifestiert sich Zorn folgendermaßen: jemand macht mich zornig. Sie machen mich so zornig, dass ich einen Kampf beginne. Das könnte sich als heftiger körperlicher Angriff bemerkbar machen, aber die Polizei wird mich nicht sofort kriegen. Vielleicht dauert es eine Weile, bis der fällige Gesetzesprozess in Aktion tritt. Aber im Höllenbereich schlägst du um dich und verletzt dich sofort! Du schlägst noch einmal um dich, um mit dem Schmerz fertig zu werden – aber damit verletzt du dich wieder ! Mit dem Höllenbereich eskaliert der Schmerz, bis die einzige Realität, die du kennst die Intensität ist. Also erschaffst du größere, und größere und größere Intensität.

Im Vergleich dazu ist der Götterbereich unvorstellbar diffus. Du lachst niemals im Götterbereich. Du weinst niemals im Götterbereich. Du lächelst nur – sehr, sehr sanft. Und New Age Musik spielt … Aber lasst uns zur Hölle zurückkehren. Es gibt die Hölle der geschlossenen Abteilung, wo du in einer Zwangsjacke steckst, damit du dich nicht selbst verletzt. Das ist offensichtlich ein extremer Zustand und vielleicht sind die meisten Leute nicht in der Lage, sich damit persönlich zu identifizieren. Aber es gibt auch die Hölle einer Auseinandersetzung, die man mit jemanden führt, den man liebt; wo man sich mehr und mehr Schmerz zufügt – dadurch, dass man sich gegenseitig verletzt, um selbst glücklich zu sein…das ist auch die Hölle. Aber wir sind nicht die ganze Zeit in diese Höllenzustände eingesperrt. Wir durchqueren sie … sie erschöpfen sich und vielleicht bekommen wir ein Gefühl des Raumes. Dann sind wir wieder glücklich, weil wir von der klaustrophobischen Intensität unserer Muster abgelenkt werden. Wir durchmessen die sechs Daseinsbereiche Minute um Minute – Stunde um Stunde – Tag um Tag … wir kreisen beständig durch die Prozesse von Entspannung und Kampf. Wenn wir diese Muster im Entstehen erkennen, können wir im gewissen Maße Vorbehalte gegen sie entwickeln. Wenn wir uns mit der Unbequemlichkeit dieser Vorbehalte befassen, gibt es sofort ein Gefühl des Raumes.

F Wie können wir im Menschenbereich bleiben und es vermeiden, weder in die Intensität der niederen Daseinsbereiche zu fallen, noch in diese Art von abgetrennter Verklärung des Götterbereiches zu treiben?

NR Wir verbleiben im Menschenbereich, wenn wir es uns erlauben, vom Schmerz der anderen berührt zu sein…und nicht zu spirituell zu werden, so dass wir die Fähigkeit zu lachen verlieren. Heißblütige Güte ist es, die uns in dieser kostbaren menschlichen Geburt verwurzelt.

Fußnoten

(1) Englisch: „space case“, „Raumkoffer“, übertragen „Raumangelegenheit“, eine Koffermarke